Lüleburgaz – Büyüksehir. 132 km, 21,5 km/h. Schwierigkeit: 2/5. Wetter: 25°C, heiter bis wolkig
Team: Christian, Georg, Robert, Tobi, ich. Länder: TR
Einmal werden wir noch wach: Thrakische Tipps für die Kölner Stadtkassen
Hinter mir liegt eine Nacht im Stil eines klassischen Penners im Stadtpark von Büyüsksehir. Warum haben wir gerade hier übernachet? Weil der Plan sowieso war, nur kurz vor die Tore Istanbuls zu fahren. Im Küstenort Büyükcekmece gab es zwar eine schöne Strandpromenade, aber keine gescheite Campingmöglichkeit.
Der Tag hatte damit begonnen, dass Tobi mit seinem Gesternkorn ziemlich plötzlich noch vorm Frühstück ins Krankenhaus verschwunden war. So kam er erst mit einstündiger Verspätung an das erste richtige gute Frühstücksbüffet der Tour mit Oliven, Käse, Wurst, Honig, Marmelade, Tee, Nescafé mit Kaffeeweißer und Vitaminsirup. Bei km 7 war Robert aufgefallen, dass er den Hotelschlüssel eingesteckt hatte, und wir verabredeten uns kollektiv für den Ort Silivri wieder.
Christian und ich praktizierten bis Çorlu wieder Paarzeitfahren. Die Straße dorthin war furchtbar; viel Verkehr und eine Textil(fälschungs)fabrik nach der anderen. Prima war hingegen Çorlu: Dort wurden wieder zum Kaffee zu einem symbolischen Preis eingeladen und von kleinen Dreikäsehochs welcome to Turkey geheißen. Wieder hielten wir zur Orientierung an einem Kreisel an, und wieder kam ein hilfsbereiter Polizist auf uns zu und wies uns den Weg auf die vierspurige D 100 nach Istanbul. Dabei hatte er diesmal zwar kein Polizeirevier mit Gewehrsmann und Teekocher im Schlepptau, dafür einen Fotografen mit einer stattlichen Spiegelreflexkamera vom Çorluer (?) Tageblatt.
Nach einem Stopp mit Pistazienschokolade trafen und Christian und ich einen etwas älteren Tourenradler aus Deutschland, der 60 Kilometer am Tag mit 35 kg Gepäck gefahren und nach Indien unterwegs war. Er hatte seine Arbeitsstelle in Salzburg aufgegeben und war schon deutlich gezeichnet von Italien und Griechenland, wo wir ja noch hinwollten. Ich möchte an dieser Stelle meinen Respekt vor so einer Alleintour äußern und hoffe, der an sich sehr sympathische Kerl hat es gut überstanden! Doch ich fühle mich doch mit ca. 25 kg Gepäck und einer Fünfergruppe...
Nach ein paar Fotos und einer Pause mit Pistazieneis (Algida, was quasi Langnese ist, produziert hier jedes Eis von Magnum bis Cornetto mit Pistaziengeschmack) trafen wir dann Tobi und Georg nahmen zusammen die Straße nach Istanbul in Angriff. An einer Bushaltestelle hielten wir und später auch ein Busfahrer, der ständig dämlich grinste und uns nach Zigaretten und Geld fragte. Als er merkte, dass er wohl keinen Erfolg mit dieser wenig überzeugenden Strategie haben werde und er eher lächerlich war, fuhr er weiter. Weiter fuhren auch wir bei starkem Seitenwind aus Nord nach Büyükçekmece, um dort einen Campingplatz zu suchen. In der Türkei macht man das so, dass man sich einfach vor ein Café stellt, und schon kommen hilfsbereite Leute heraus, von denen der vierte Englisch spricht. Ein Mann machte ein paar Telefonanrufe, sagte immer „tamam“ („OK»), fuhr dann mit dem Auto weg und forderte uns auf, ihm zu folgen. Die Reise führte zu einem Restaurant am Strand, wo man uns quasi auf dem asphaltierten Parkplatz hätte zelten lassen. Gut ist das Gegenteil von gut gemeint, dachten wir, wir aßen noch Köfte und Döner dort, wobei wir mit dem - sicher auch gut gemeinten - „Heil Hitler!“ begrüßt wurden, fuhren aber in der Hoffnung, etwas Besseres zu finden, die Strandpromenade weiter entlang. Wir badeten noch und trafen den 12jährigen erstaunlich polyglotten und aufgeweckten Can. Der bekennende Fan von Tokio Hotel riet uns, in den Wald zu gehen, auch wenn dort „crazy people“ hausten und fragwürdigen Unterleibsaktivitäten nachgehen würden. Dort befanden sich aber Hunde, auf deren Bekannschaft Robert wenig Lust hatte.
Also hieß es heraus aus Büyükcekmece und mit einer 10%-Steigung, die an einer sagenhaft beleuchteten Moschee endete, herauf auf die D 100 nach Istanbul. Angesichts der Dunkelheit und der doch etwas rücksichtslosen Autofahrer (wäre ich streng nach Verkehrsregeln und nicht nach gesundem Menschenverstand gefahren, hätten diese Zeilen von mir wohl nicht mehr lebendig geschrieben werden können) fuhren wir aber sobald als möglich wieder ab und auf Anraten eines Einheimischen („nobody can say anything“) auf die Wiese vor einer Plattenbausiedlung. Dort spielten wir noch etwas Skat, natürlich wieder zur Belustigung kleiner Kinder, u.a. nach eigenen Angaben den Cousin der Altintop-Brüder, und verbrachten ab Mitternacht eine erstaunlich selige Nacht, trotz des gefühlte 100 Dezibel starkem Muezzin-Ruf um fünf Uhr morgens fürs authentische Türkei-Gefühl. Übrigens ist im Erdgeschoss der Moschee ein Supermarkt eingebaut. Ich stelle mir gerade einen Penny-Markt im Kölner Dom vor. Für die Stadtkassen sicherlich nicht das Schlechteste.
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