Slavonski Brod – Vukovar. 132 km, 21,4 km/h. Schwierigkeit: 1/6. Wetter: 26°C, heiter bis wolkig
Team: Christian, Georg, Meike, Robert, Tobi, ich. Länder: HR/BIH
Die doppelte 19
Warum die doppelte 19? Weil ich heute erstmals über den 19. Längengrad gefahren und in meinem 19. Land mit dem Rad war. Nämlich in Bosnien.
Zunächst hatten wir in unserer Pension ein opulentes Frühstück, das wieder zu 90% aus Fleisch (arme Meike, sie will ja eigentlich nur 35 Äpfel essen) bestand, eingenommen und uns unterschiedlich stark beim PLODINE eingedeckt, um nicht in bosnische Mark und Fening wechseln zu müssen.
Nach Bosnien einzureisen, erwies sich wieder als schwierig: Aber wir fanden die Straße zum Grenzübergang in Slavonski Brod nämlich nicht. Man konnte ihn sehen, man konnte unter der Sava-Brücke durchfahren, aber keine Straße schien über ihn zu führen. Der «Lance des Tages» (in Anlehnung an Felix Göpels großartiges Buch «Mit dem Fahrrad zur WM») verdiente sich ein kauzig aussehender Slavonski-«Brodenser» auf einem Klapperfahrrad, der uns den Weg dorthin zeigte. Die Passkontrolle war dann kein Problem mehr.
So, und wie ist es in Bosnien? Srpski bzw. Bosanski Brod (bevor ich wieder was Falsches sage und irgendwem vor den Kopf stoße, verweise ich auf den Wikipedia-Artikel) hatte schon einen hohen Balkan-Faktor: Viele verlassene und schäbig aussehende Häuser, rostige Autos, deutlich dunkelhäutigere Menschen, kyrillische Buchstaben ... Was wir in Bosnien nicht unbedingt erwartet hatten, waren angeleinte Kühe und die Tatsache, dass ca. 1/3 aller Autos aus Baden-Württemberg und ein anderes Drittel auf Schweizer Kantone zugelassen war. Laut Petra handelt es sich um Schweizer Touristen – Bosnien soll dort aufgrund der Monotonie der Schweizer Landschaft eine sehr angesagte Destination für Bergwanderer sein. . Ein Tessiner fuhr scheinbar ständig auf und ab und an uns vorbei, weil er sich über die Schweiz-Fahne an Christians Rad vor Freude kaum einkriegte.
Bei km 49 und nach ein paar Anstiegen und Absfahren verzehrten wir an einer Kreisstraße unser Supermarktessen. Ein Auto aus Zagreb hielt an und der Fahrer fragte: «Wohin wollen Sie? Die Straße führt ins Nichts!» Ich antwortete: «Nach Prud» (nächster Ort), und er: «Ach so, ja dann ist ok». Trés bizarre. Die Straße führte genauer gesagt direkt in den nächsten bosnischen Grenzort Samac, wo die Hitze am größten war – aber ca. 5°C kälter als gestern, windstill, danach am späten Nachmittag eigentlich ideales Fahrradwetter.
Der bosnische Grenzer guckte auf Christians Pass und Schweizer Flagge und fragte, ob Christian den ganzen Weg aus Schweden mit dem Rad gekommen sei. Außerdem wollte er wissen, wie wir Bosnien fanden. Wir unterhielten uns über die Leute, die in Mostar für 20 Euro für die Brücke springen, und ich fragte mich, was geschehen wäre, wenn ich gesagt hätte: «Well, Bosnia is shit». Egal, hätte ja auch nicht gestimmt.
Anyway, wieder in Kroatien, erinnerte die tellerflache slawonische Landschaft an den Landkreis Nienburg, nur mit mehr Maisfeldern. Wir passierten Vinkovci und erreichten KONZUM in Vukovar. Dort überlegten wir, ob wir nicht einfach Georgs Tarnfleck-Zelt auf dem Parkplatz aufbauen sollten: Der Marktleiter würde es sicher nicht erkennen, wenn er den Laden am Abend abschließt, und morgen hätten wir schon frisches Frühstück.
Wir fuhren 4 km in die völlig falsche Richtung, bevor wir nach Rücksprache mit den Einheimischen umkehrten und schließlich in Vukovar ankamen – einem Ort, der kontrastiert zwischen Ruinen und zerschossenen Häusern und einer schönen Innenstadt genau an der Donau. Das Hotel Dunav hatte noch zwei Dreibettzimmer frei, und die Rezeptionsdame war auch sehr nett und gab uns einen Zettel mit Jugendorganisationen, die nach ihren eigenen Angaben entweder irrelevant oder geschlossen waren.
Auf dem zentralen Platz kamen wir in Kontakt mit drei begeisterten Tennagern, die sich an unseren beladenen Rädern und Pass-Aufklebern gar nicht sattsehen konnten. Einer erzählte bescheiden, er sei auch mal 30 km am Tag nach Osijek gefahren. Leider trafen wir sie beim abendlichen Rockkonzert von Psihomodopop nicht wieder. Dafür gab es eine Hochzeit in unserem Hotel, und wir gingen noch Eis (Meike: 7 Kugeln) und Ham- bzw. Cheeseburger essen (Tobi + 1 Cevapcici).
Zur Verwirrung trug weiterhin bei, dass Christians m.E. völlig korrekte Bestellung «šest piva» mit «Sorry, we only have beer» erwidert wurde. Mit ebendiesem Bier setzten wir uns noch an die Donau und stürmten danach gegen Mitternacht das Partyschiff – wohl zu früh, denn wir waren ganz alleine auf der Tanzfläche des House-Boots. Als wir gingen, stürmten die aufgebrezelten Teenagerinnen das Schiffchen.
Morgen fährt Meike nach Wien zurück. Unser Eis-, Karotten- und Apfelkonsum wird drastisch abnehmen, und unsere Hotelzimmertür ist zerbombt. Ohrwurm des Tages: «Zombie» von den Cranberries.
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